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Mitgehangen, mitgefangen - zur Erbsünde der Kirche

Ich merke immer mehr, dass ich es in meiner Wut und meiner Sprachlosigkeit immer mehr brauche, mich dem Thema sexualisierte Gewalt in der Kirche  in theologischer Weise anzunähern. Interessant, dass gerade die Tradition der Kirche da Beschreibungsmuster bereithält, die der Sache meiner Meinung nach mehr gerecht werden als nicht-religiöses Sprechen über das eigentlich Unfassbare. Offenbar stimmt die Rede von geronnenem Wissen.

400px-B_Escorial_18Eine solche Rede ist die von "Erbsünde". Dieser Begriff ist vieldeutig und höchst missverständlich, denn es gibt einen Traditionsstrang vom Kirchenvater Augustinus her, wo der Mensch als sündig aufgrund seiner Zeugung durch sexuelle Handlungen beginnend bei Adam und Eva gesehen wird. Diese Tradition ist es auch, dass ganz erheblich dazu beigetragen hat, dass Kirche lange Sexualität verteufelt, tabuisiert hat und es in manchen Bereichen noch immer tut. - Etwas, dass meiner Meinung nach ein Teil des Problems ist, denn die sexualisierte Gewalt in der Kirche ist nicht nur ein missachtenswertes Vergehen an Kindern durch einzelne Menschen, sondern eben auch ein strukturelles Problem der Institution Kirche.   
Und doch: Es gibt ein Denkens über den Begriff "Erbsünde", die für mich meine aktuelle Situation sehr gut zum Ausdruck bringt. Fernab von irgendwelchen genetischen Vererbungen ist es doch so, das wir Menschen schon hineingeboren werden in einer Welt, die nicht nur gut ist, sondern strukturelle Ungerechtigkeit, Ausschluss, Machtmissbrauch, Egoismus ist die Regel - im kleinen wie im globalen. Denke ich nur an mein Konsumverhalten, perpetuiere ich tagtäglich durch das, was ich kaufe und esse diese Ungerechtigkeitsverhältnisse - selbst dann, wenn ich mich bemühe vermehrt Fair Tratte- und biologische Produkte zu kaufen. Ich kann nicht wirklich aussteigen aus dem Kreislauf der Ungerechtigkeit. Meine Freiheit ist beschränkt. Diese Situation meint der Begriff "Erbsünde" oder auch die Rede von "struktureller Sünde", die auch Eingang ins II. Vatikanische Konzil, den Aufbruch der Kirche in den 1960er-Jahren, gefunden hat. 

Ich habe mich für die katholische Kirche entschieden. Bei mir ist es so, dass ich in einem wenig religiösen Umfeld aufgewachsen bin und ausser dem Religionsunterricht in der Schule wenig Selbstverständlichkeiten mitbekommen habe. Erst in späteren Jahren habe ich mich nach einer langen Phase der Distanz bewusst entschieden, dass mich das mit Gott und mit der Kirche "unbedingt angeht" (nach P. Tillich die kürzeste Definition von Religion). Nun fühle ich mich in der aktuellen Situation, wo immer mehr Fälle sexualisierter Gewalt bekannt werden und ein guter Weg in die Zukunft noch lange nicht klar ist, "mitgefangen und mitgehangen" in einem System, dass doch ausgehend von den Werten Jesu so ganz anders sein müsste als es ist. Viel zu viele Jahre ist über dunkle Kapitel geschwiegen worden und angesichts der Opfer ist es auch völlig unangebracht jetzt in Selbstmitleid zu versinken oder über die Medien zu jammern, die - meiner Meinung nach dankenswerterweise - aufzeigen, was einfach wahr ist. Vielmehr denke ich, dass es darum geht, sich dieser "Erbsünde der Kirche" bewusst zu werden - und genauso wie es bei sozialer Ungerechtigkeit in der Gesellschaft einen radikalen Systembruch und individuelle Schritte in die richtige Richtung braucht, braucht es das auch in der Kirche: Wenn es darum gehen soll, dass die Sünden, die da passiert sind, nicht privatisiert werden (womit ich aber auch nicht die konkrete Schuld der TäterInnen verharmlosen will), dann braucht es einen radikalen Bruch mit der "Erbsünde der Kirche" und einen offenen Weg in Richtung Egalität, Freiheit und Gerechtigkeit. Dazu will ich beitragen - und dabei auch ertragen, dass "mitgefangen und mitgehangen" manchmal ganz und gar nicht angenehm ist. Und vielleicht noch eines bringt der Begriff "Erbsünde" zum Ausdruck: Viele TäterInnen sind selbst als Kinder Opfer gewesen. Sexualisierte Gewalt wurde "weitervererbt", weil weder die Betroffenen durch das Suchen von psychotherapeutischer Hilfe noch die kirchlichen Systeme durch Strukturen, die Kinder unbedingt schützen, den Kreislauf des Machtmissbrauchs durchbrochen haben. Im Sinne der Prävention muss auch das bedacht werden. Hinweise: Zum Karsamstag angesichts der sexualisierten Gewalt in der Kirche Zum kommunikativen SuperGAU Aktuelle Stellungsnahmen finden sich auf der Homepage der Diözese Linz und bei katholisch.at. Ombudsleute und Diözesane Kommission Linz gegen Missbrauch und Gewalt.

Bildquelle: Wikipedia - Adam und Eva (span. Buchmalerei, ca. 950)
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Maria Schmidt

Ich finde mich in vielen wieder, das du in diesem Artikel beschreibst. Doch derzeit kaue ich noch viel mehr an der ursprünglichsten Wurzel dessen, was du als Geschichte der Erbsünde an-denkst: An der nicht-priesterschriftlichen Schöpfungsgeschichte, die nach der Schöpfung des Menschen in seiner Zweigeschlechtlichkeit auch die Erzählung vom (Sünden-) Fall beinhaltet. Nicht nur, weil sich hier die Grundlage meiner Diplomarbeit verbirgt, sondern auch, weil ich Genesis 2f für einen der spannendsten Texte halte, der mir in meinem (Bibel-) Studium (bisher) begegnet ist. Gerade in dem Vergleich, den ich zwischen dieser biblischen Grundlage und der Verarbeitung bei den Simpsons ziehen darf, finde ich es immer wieder beeindruckend, wie modern dieser "alte" Text daher kommt und wie verkniffen er betrachtet und ausgelegt wurde (Stichwort Augustinus). Denn eigentlich nimmt gerade diese Erzählung den Menschen in seiner Menschlichkeit viel ernster, als das jede Erbsündentheorie tun könnte. Ich hoffe immer mehr darauf, dass auch die Zeit kommt, in der „wir“ als Kirche auch in unserer Menschlichkeit gesehen werden und uns vielmehr endlich auch selbst als solche betrachten können. Dazu möge uns dieser weise Text helfen.
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andrea

Ich mag die Genesis 2 Geschichte auch sehr gerne, aber vor allem in der feministischen Variante, die "Adam" richtigerweise als "Erdling" übersetzt und damit klar macht, dass die Sache viel komplizierter ist als in manchen einfachen Interpretationen ala "Die Frau sei dem Mann untertan". Ach, wenn doch der Augustinus schon ein modernes Verständnis der Bibel gehabt hätte! Und: Je mehr du über deine Diplomarbeit erzähltst, desto gespannter werde ich, wie du damit die Simpsons verwoben hast.
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Maria Schmidt

Der Kniff bei den Simpsons ist, dass gerade Homer sich dem Apfel nicht entziehen kann aber allein Marge dafür bestraft wird. Ein unglaublich hintergründiger Ansatz! – Ich merke schon, ich sollte mal darüber einen Blogeintrag verfassen.
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Elke

Deine Sorgen möchte die Zürich Versicherung haben!!! :-))))))
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Dominik

Ein ganz besonderer Papst Realismus, Gelassenheit und Tiefgang zeichnen Benedikt XVI. aus. Langsam spricht es sich herum, und das freut mich. Mehr und mehr wird auch kritischen Journalisten wie zum Beispiel Ross Douthat von der „New York Times“ klar, welche Rolle Benedikt XVI. im Zusammenhang mit Missbrauch spielt und gespielt hat, schon in seiner Zeit als Kardinal und Präfekt der Glaubenskongregation und völlig konsequent auch als Papst. Er war es, der Papst Johannes Paul II. davon überzeugt hat, die Agenden bezüglich sexueller Vergehen von Priestern an Jugendlichen unter 18 der Glaubenskongregation zu übertragen und diese mit richterlichen Befugnissen auszustatten, um eine rasche und effiziente Abwicklung zu garantieren; und unter der Führung von Kardinal Ratzinger wurden die seit 2001 gültigen strengen Richtlinien zur Bearbeitung solcher Fälle zur Approbation gebracht. Persönlich habe ich bei ihm in den letzten Jahren, insbesondere im Zusammenhang mit der von mir in St. Pölten durchgeführten Apostolischen Visitation, Halt und Ermutigung gefunden, die notwendigen Maßnahmen konsequent durchzuziehen. Es ging dabei zwar nicht um sexuelle Vergehen von Priestern an Minderjährigen, aber doch auch um sehr delikate Materien. Nüchterner Blick Aus diesen persönlichen Erfahrungen heraus möchte ich mich gern ein wenig näher mit der Person des Papstes befassen. Eine Besonderheit Papst Benedikts ist sein sehr nüchterner Blick, der sich der Realität nicht verschließt, auch wenn diese manchmal sehr schmerzhaft ist. Zu seinem breiten philosophisch-theologischen Fundus gesellt sich ein außerordentliches Gedächtnis für Personen und Zusammenhänge. Das macht ihn zum wertvollen Zeitzeugen des Konzils und der nachkonziliaren Zeit mit all ihren Entwicklungen. In seinen 20 Jahren als Präfekt der Glaubenskongregation wurde er wie wohl kaum sonst jemand in der Welt vertraut mit allen wichtigen Zeitströmungen und Vorgängen in Kirche und Welt. Er ist über den deutschen Sprachraum hervorragend informiert und wusste stets sofort, worum es ging. Und immer gab er in seiner feinfühligen Weise Lösungsansätze. Als Papst hat sich diese seine enge Verbundenheit mit der Kirche in Österreich und Deutschland nach meiner Erfahrung nicht vermindert. Oft genügen wenige Minuten, zum Beispiel im Anschluss an eine Generalaudienz, um ein konkretes Thema anzusprechen, weil er die Fragen in unglaublicher Weise präsent hat und sofort zu reagieren vermag. Er ist in der Tat etwas ganz Besonderes, dieser Heilige Vater. Und er geht den Dingen auf den Grund. Er schreibt neben seiner enormen Arbeitslast ein Buch wie „Jesus von Nazareth“, von dem bald der zweite Band erscheint. Wie schafft er das? Nun, Benedikt XVI. sieht den Mangel an Glauben an Jesus Christus als vielleicht den wesentlichsten Grund für viele Fehlentwicklungen in der Kirche nach dem Konzil und zugleich den Glauben an Christus als den Schlüssel zu jeder wahren inneren Erneuerung der Kirche. Papst Benedikt versucht, an der Wurzel anzusetzen. Seine Predigten kreisen fast immer um die Gottesfrage als die zentrale Frage der Kirche und jedes einzelnen Menschen. Benedikt XVI. scheut aber zugleich keine Mühe, um die Menschen von heute vor dem Irrtum eines falschen Relativismus zu warnen, zu dem die Konsumgesellschaft unserer Zeit verführt. Für viele Menschen sind seine Worte wirklich gutes Brot, von dem sie zehren. Gott hat diesem Papst diesbezüglich eine ganz besondere Gabe geschenkt. Benedikt legt, wenn er es für nötig ansieht, den Finger auf die Wunde. Manche meinen daraus ableiten zu können, dass er weniger geschickt sei als sein Vorgänger. Sie scheinen vergessen zu haben, wie heftig oft die Angriffe auf Johannes Paul II. gewesen sind. Und die Aufgabe Benedikts, der seinen Vorgänger sehr geschätzt hat, ist eine andere. Er wirkt in ungebrochener, treuer Kontinuität und bemüht sich um Vertiefung; in manchen Belangen setzt er aber Schritte, die manches, was in den letzten Jahrzehnten verwildert ist oder brachliegt, zur Gesundung führen. Zum Schluss noch zwei weitere Besonderheiten dieses Mannes. Da ist zum einen seine Einfachheit und Schlichtheit. Wenn etwas schiefgelaufen ist wie die Ungeschicklichkeiten im Zusammenhang mit der Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der Pius-Bruderschaft, dann findet Josef Ratzinger ehrliche, offene und demütige Worte, wie jeder in seinem abschließenden Schreiben nachlesen kann. Selten wirkte ein Papst angreifbarer, verletzlicher als in diesem Text. Und manchmal zieht er es eben vor zu schweigen, auch wenn alle anderen lauthals fordern, er müsse sich zu Wort melden. Solch eine Stimme, die nicht auf Abruf funktioniert wie viele andere in der Medienlandschaft heute, ist nicht leicht zu ertragen. Die Wolke als Symbol Zum anderen ist seine Gelassenheit beeindruckend, die wohl nur daher rühren kann, dass er sich vom Gebet der Gläubigen getragen und sich in Gottes Hand weiß. Er wird deshalb auch nicht nachgeben, wo er nicht nachgeben darf. Das ist es wohl, was manchen Vertreter der säkularen Welt, aber auch manche „Reformer“ in der Kirche zur Weißglut bringt. Die Wolke über Europa aus dem Vulkan ist kein schlechtes Symbol für die derzeitige Situation von Kirche und Gesellschaft. Vielleicht wird sich der Staub ein wenig setzen müssen, aber der Frühling kommt trotzdem. Wer auf Gott vertraut, geht nicht zugrunde. Mich freut der fünfte Jahrestag der Wahl Benedikts: Dieser Mann bewegt sich konsequent in den Fußspuren Jesu. Er reiht sich damit in eine große Schar von Jüngern ein, die sich als treu erwiesen haben. Er geht uns, wie ein wahrer Hirte, voran, dem Ziel entgegen. Gastkommentar von Klaus Küng in http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/559371/index.do

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