die Studierenden protestieren, weiss mittlerweile jede und jeder. Und es ist den Studierenden zu danken, dass endlich wieder wirklich breit öffentlich über den Sinn von Bildung "vom Kindergarten bis zur Uni" (Motto des Aktionstages am Donnerstag) diskutiert wird. Sie stellen nicht nur konkrete Forderungen (Wien, Linz) was gegen die Misstände an den Universitäten unternommen werden muss, sondern es wird auch nach der gesellschaftlichen Verantwortung der Universitäten als öffentliche Lern- und Forschungseinrichtungen gefragt. Darum gelingt auch die Solidarität mit anderen Gruppen: den Lehrenden an den Unis, den SchülerInnen, den ArbeitnehmerInnen. Seit dieser Woche ist klar, dass auch der ÖGB und die ArbeiterInnenkammer sich mit den Protestierenden solidarisch erklären.
Foto: Martin Juen via #unibrennt
Die Krux mit der Meinungsfreiheit
Die Gemüter scheiden sich aber über die Form, wie diese Bildungsdebatte initiert wurde, mit der Besetzung von Hörsälen an den Universitäten. Und da sich die Studierenden basisdemokratisch, mittels täglicher Plena, organisieren gibt es in dieser Beweguung auch Wortmeldungen, Transparente, Slogans, ... die keine breite Zustimmung finden. Das kritisieren zum Beispiel Simon Ebner und Peter Schauer von der Katholische Hochschuljugend, reklamieren aber selbst auch die notwendigen Reformen im Bildungssystem.
Ich meine, dass das eben so ist mit der Meinungsfreiheit, da muss ich, wenn ich für Meinungsfreiheit und die Beiligung aller bin, auch aushalten, dass jemand etwas sagt und tut, was ich selbst nicht teile oder machen würde. Die Grenze ist für mich (neben der notwendigen Abgrenzung gegen den Rechtsextremismus) dort, wo Protest nicht mehr friedlich und kreativ ist, sondern wo es zu Gewalt gegen Menschen oder Sachen kommt. Der Protest ist friedlich und die Putztupps im Audimax der Uni Wien zeigen, dass den Studierenden auch das Wohlfühlen an ihrer Uni, "unsereruni", wie der Twitter-Hashtag lautet, ein Anliegen ist.
Revolte 2.0
Ganz spannend ist, wie sich diese Bewegung organisiert, das was Philipp Sonderegger "Das geheime Netzwerk der Studierenden" nennt, die kollektive Organisierung passiert in Realtime: Es gibt einen Livestream von vielen Unis, es wird getwittert, was das Zeug hält, es gibt mittlerweile schon fast unzählige Facebook-Gruppen (und natürlich Gruppen gegen den Protest), Fotos auf Flickr und Videos auf YouTube. Diese Form der Organisierung nach Ameisenart ist in dieser Breite neu und setzt neue Potentiale des Wissensmanagements und der Organisation frei. Kein Wunder, dass manche fragen, ob hier egalitäre Produktionsweisen über neoliberale und parteiförmige Politikformen triumphieren.
Tom Schaffer schreibt in seinem Blog mitten aus dem Geschehen:
"Es ist schon erstaunlich, was ein Kollektiv so alles leisten kann. (...) Eine solidarisch finanzierte Küche mit kochbegabten KollegInnen versorgt uns. Einzelne Versierte stellen eine technische Infrastruktur auf, an der sich die Uni seit Jahren nicht einmal versucht. Im Internet kann man live dabei sein, auf der Beamerwand werden Liveschaltungen in andere Unis gezeigt und Fragen per Twitter eingebracht. Leute reden mit den Wachleuten, in der Früh hilft man dem Reinigungspersonal, das nicht unter dem Protest leiden soll. (...) Studierende mit entsprechender Erfahrung bieten Workshops zu vielerlei Themen an – etwa wie gewaltfreie Gespräche geführt werden können (...) In wenigen Tagen ist hier alles so effizient und gesittet strukturiert und professionalisiert, dass es den meisten österreichischen Unternehmen in nichts nachsteht."
Im Wiki der protestierenden Studierenden steht: "The revolution may not be televised - but maybe it will be socially networked?" und damit ist die Neuheit dieser Bewegung angesprochen: Zwar kann da nicht von Revolution die Rede sein, bestenfalls von einer Revolte der Betroffenen, die mit einem Flashmob begonnen hat, aber es gelingt den Studierenden hier hervorragend die Dezentralität des Web 2.0 zu nutzen, um eine reale Protestbewegung, die physischer Anwesenheit bedarf, damit zu stärken und die Inteligenz der Vielen für die Bewegung nutzbar zu machen.
Und die Kirche?
Mein Eindruck ist, dass sich bei Christinnen und Christen die Gemüter angesichts dieser Bewegung der Studierenden scheiden. Ziemlich alle finden es gut, dass nun endlich mehr über Bildung, über Bildungsgerechtigkeit diskutiert wird - denn Bildung ist ein zentrales Thema, dass zum Beispiel im Ökumenischen Sozialwort der Kirchen in Österreich in erster Stelle steht, sozusagen als Basis für alles andere dort gesagte. Manche freuen sich über die Proteste, so hat sich das Institut für praktische Theologie der Uni Wien solidarisiert. Aber es gibt eben auch kritische Stimmen wie die Katholische Hochschuljugend, denen die Protestformen nicht gefallen oder Menschen, die mit einzelnen Forderungen nicht anfangen können. Besonders umstritten scheint mir die Frage des Bologna-Prozesses zu sein, bei dem meiner Meinung nach ein gutes Ziel, die bessere Mobilität der Studierenden und die Vergleichbarkeit der Studien europaweit, sehr schlecht umgesetzt wird, sodass das Ziel eigentlich gar nicht mehr zu sehen ist, sondern vielmehr die Hürden, die damit Studierenden mit neuen Zugangsbeschränkungen und Voraussetzungsketten in den Weg gelegt werden.
Es bleibt jedenfalls spannend in den nächsten Wochen und Monaten - ich finde, dass ich als Web2.0-Interessierte aus dieser Protestbewegung viel lernen kann - und ich gehe jedenfalls am Donnerstag in Linz im Rahmen des bundesweiten Aktionstages "Für freie Bildung vom Kindergarten bis zur Uni" demonstrieren, ganz in Real Life. Du auch?
Dass in Östereich qBitte beachte unsere Richtlinien für Kommentare.
Twitter Trackbacks for Der Kindergarten, die Schule, die Un
Twitgeridoo
andrea
Helge Städtler » Blog Archiv » Mich wund
Von den protestierenden Studierenden lernen | ThemaTisch Blo
Erfriert das Christkind in Wien? | ThemaTisch Blog-Community
Kommentar hinzufügen