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Weblog von ferdinand

Das Evangelium "freischaufeln" - vor allem in der Kirche selber

Zwei ganz interessante Meldungen sind  mir  in den letzten Stunden zugefallen. Die erste: “ Auch wenn kirchliche Interpreten noch so oft den Zusammenhang von Säkularisierung und Moralverfall beschwören mögen – empirisch gibt es dafür keinen Beleg,“  betonte der Religionssoziologe und Leiter des Erfurter Max-Weber-Kollegs für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien  Prof. Hans Joas bei einer Tagung am 11./12. Oktober zum Thema „Wie wird der Glaube glaubwürdig?“ an der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz: „Auch die These, dass Säkularisierung als komplexer Prozess der Zurückdrängung der Religion und ihres Geltungsanspruchs aus dem öffentlichen Raum mit einem Niedergang der Religion an sich führe, gilt laut Joas als nicht mehr haltbar.“

Den Blick auf die Anliegen der Menschen vor Ort bei den Verantwortlichen einfordern

In der KirchenZeitung ( http://bit.ly/a3QaRh )  hat Franz Wild als neu gewählter Generaldechant im Interview mit Matthäus Fellinger ein paar anstehende Herausforderungen der Diözese Linz angesprochen. Im ganzen Interview ist das Bemühen spürbar, die Pole immer wieder in Verbindung zu bringen und den Blick der heute Verantwortlichen nach unten zu lenken: „Die Gefahr ist groß, dass der Blick auf die Fragen der Menschen vor Ort nicht immer so gut gelingt von denen, die zu entscheiden haben.“  Hier kann ich ihm ganz und gar folgen und auch meine Erfahrung ist, dass einige Entscheidungen im Zukunftsprozess der Diözese ohne den genauen Blick auf die konkreten Menschen in den Pfarren und den pastoralen Knotenpunkten passieren (werden).

Blockade, Ohnmacht und Angst - und Franz Jägerstätter

Der Pfarrsaal von Tarsdorf war am 9. August 2010 bis auf den letzten Platz gefüllt. Pax Christi und die Pfarren Tarsdorf und St. Radegund haben am Todestag von Franz Jägestätter zum Gedenken eingeladen. Von der Gemeinschaft San Egidio in Rom war Dr. Cesare Zucconi gekommen. Ich persönlich habe ihn erstmal 1985 bei der Romreise der Jugend der Dompfarre kennengelernt. Beide sind wir älter geworden, haben wir festgestellt. Sein Thema war: "Franz Jägerstätter als Inspiration für heutige Friedensarbeit". Den Mut haben, die eigene Angst zu erkennen "Es gibt heute in den Menschen eine Blockade, eine Ohnmacht. Es ist die Haltung der Angst. Man muss den Mut haben, die eigene Angst zu erkennen, um handlungsfähig zu werden." Diesen Tatbestand sieht Zucconi heute weit verbreitet und sieht eine Parallele zur Zeit Jägerstätters: "Die Angst war damals die Macht der Nationalsozialisten". Franz Jägerstätter hat in seinem Gottvertrauen diese Angst überwunden und ist zu seinem klaren ablehnenden Urteil gekommen. Zuccini hielt fest. "Es ist nicht der Mut, sondern der Glaube, der Berge versetzen kann." Die Wurzel der Angst liegt darin, dass man zu wenig betet. "Es gibt heute ein Angst vor der Stille", meint Zuccini. Die Angst hält den Menschen heute auf Trapp und er sieht gar nicht mehr, in welchen Kriegen er direkt oder indirekt mitwirkt.

Es gibt eine coole Kirche der Jugend

Wer soetwas behauptet, gerät in Verdacht, die Realität der heutigen amtskirchlichen Vorgänge nicht sehen zu wollen. Oder er ist in den 60er-Jahren aufgewachsen und war beim Aufbruch dabei. Und doch gibt es jene Orte heute, wo Jugendliche sich wohl fühlen, verstanden wissen und sich in ihrer Art ausdrücken dürfen. Bei der Jugendkirche Lange Nacht in Christkönig war das so. Jugendliche machen ihre Kirche Das aktuelle TheologInnen-Forum der Theologiestudierenden Linz titelt auch so. Hintergrund ist die Frage, ob JugendleiterIn ein Beruf sein kann für eine angehende Theologin oder einen Theologen. Die Jugendleiterin von Gmunden meint: „Wenn Jugendliche erleben, dass Kirche cool ist, weil es tolle Veranstaltungen gibt, weil ich hier mit jemanden reden kann und verstanden werde, werden sie sich in Zukunft mit ihr verbunden fühlen.“ Da ist ihr wirklich recht zu geben. Kirche lebt von den authentischen Menschen, die sich in den Dienst des Evangeliums und der jesuanischen Spriritualität nehmen lassen. Prof. Lechner von Benediktbeuern meint daz: „Jugendpastoral ist das Bemühen der Kirche um ein Verhältnis zu jungen Menschen in deren Lebenswelten, damit sie die humanisierenden Lebensmöglichkeiten des Evangeliums entdecken, sich den Glauben aneignen, ihre je eigene Berufung im Volk Gottes erkennen udn ihren dynamischen Beitrag dazu leisten, dass Kirche Zeichen und Werkzeug einer Kultur des Lebens wird.“ Gestochene Definition mit allem drinnen, worauf es ankommt. Allerdings hat das Langzeitfolgen: Die Kirche wird nicht mehr so aussehen, wie sie sich heute öffentlich von oben her darstellt.

PGR-Kongress: Vorbereitungen von verschiedenen Seiten. Es geht um die Zukunft der Pfarren.

Wenn 500 Delegierte aus ganz Österreich zusammen mit allen Bischöfen sich auf den Kongress vorbereiten, dann gibt es unterschiedliche Zugänge. Ich selber gehe ab Mittwoch früh von Ybbsitz zu Fuss zwei Tage auf Mariazell zu während KollegInnen von St. Pölten aus und andere sich von Süden her annähern. Ich möchte mich am „Linzer Weg“ nach Mariazell einstimmen.

Überlegungen und Forderungen stehen schon im Raum

Gerade heute, am Muttertag, wurde für die Mutter Kirche ein umfassendes Dossier in den digitalen Raum gestellt. Der Textentwurf 1 für ein Leitpapier. Nachzulesen auf http://www.kkirche.at  unter http://bit.ly/bsCbMA . Es geht um Glauben, Hoffnung und Liebe. Um die Zukunft der Kirche und die Offenheit auf die heutigen Menschen hin. Angesprochen werden auch alle Fragen, wo der Mensch heute „ansteht“. Gerechtigkeit, Ökologie, Familien,…. Aus meiner Sicht wird dieser Kongress wirklich weichen stellen müssen, ob es nun den Bischöfen gelegen oder ungelegen kommt. Der aufrechte Jesuaner, die aufrechte Jesuanerin sind es müde, auf oben hin vertröstet zu werden und das Killerargument vom nicht gewünschten Sonderweg zu akzeptieren. Jesus hat Menschen augerichtet zum GEHEN und hat zum „Wandertag“ Richtung Himmel, Gerechtigkeit und geschwisterliche Menschenwürde animiert. Da sollten wir uns nicht wieder stoppen lassen durch römisch-klerikale Ängstlichkeiten. Gott hat den Weg freigelegt. Wir brauchen keine Angst zu haben.

Christsein ist ein Auswärtsspiel

Nicht dort, wo wir ChristInnen selber den Ort oder das Format bestimmen, sondern dort, wo wir im Fremden angenagelt werden, bewährt sich das jesuanische Christentum. Die heutige Marktsituation ist Realität und als Handlungsrahmen bestimmend. Das ist als Ausgangspunkt zu aktzeptieren.  Aufmerksamkeit muss man sich verdienen und das mit einem professionellen Vorgehen. Es braucht eine neue Inszenierung der Mitte und Markierungen aus dem Evangelium für die Zeit heute. Citypastoral ist daher in Zukunft extrovertierte PR-Arbeit. Diese Logik ist mir absolut nicht fremd und bei der Tagung in Köln fühlte ich mich sehr verstanden und bestärkt, Seelsorge in der Stadt poinitierter, profilierter und mit dem Heute kompatibler zu sehen.

Im Wettbewerb der Wahrnehmung muss ein “Kirchen-Relaunch” kommen

“Glaube gibt Halt” hat die Agentur Como mit der Diözese entwickelt. Sabine Schimböck und Gerold Öller haben sich für die Pastoralkonferenz Linz-Mitte Zeit genommen und “Impulse aus Sicht einer PR- und Werbeagentur” geliefert.  Nachdenklichkeit und ein Blick auf die Chancen waren die Folge der intensiven Auseinandersetzung.

Kirche als Marke sehen

“Kirche ist eine Marke, die Werte und Vorstellungen vertritt, die für Menschen relevant sind und darüber sollte mehr kommuniziert werden”, war gleich die Anfangsbehauptung von Geschäftsführer Öller, um gleich das Grundproblem anzusprechen: “Die Kirche beschäftigt sich zu viel mit sich selber! Nicht die Leute laufen der Kirche davon, sondern eher die Kirche den Leuten. Angebote kommen deshalb zu wenig hinüber”. Die Account-Managerin Schimböck ermutigt die SeelsorgerInnen: “Immer wieder zu den Leute gehen und von den konkreten Angeboten reden ist heute ganz entscheidend.” Die Kirche wird als Lebensbegleiterin in schönen und schwierigen Lebenssituationen  wie Taufe, Hochzeit, Sterben und Notsituationen gesehen. Diese Anlässe müssen daher gut und professionell begleitet werden. 

Offen reden auch bei Bischofsernennungen

Das, was die römisch-klerikale Amtskirche derzeit am schmerzlichsten “lernt”, ist der Umgang mit Transparenz und offener Kommunikation. Das System “vertuschen und verheimlichen” ist gerade inpuncto Missbrauch am Ende angelangt. Die Medien leisten hier einen enorm wichtigen und wertvollen Dienst. Sie sind praktisch die Aussprachezimmer geworden, weil Betroffene sonst eher Beschwichtigung als Verständnis und Hilfe erfahren haben.

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