Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen.
Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt! ....
Das hat Bert Brecht 1939 im dänischen Exil geschrieben ("An die Nachgeborenen"). Für die meisten von uns hier in Österreich sind diese Zeiten vorbei, wir können den Luxus des Gesprächs über Bäume genießen und den kommenden Frühling voll Freude erwarten. Für die meisten. Doch nicht für alle. Gerade nicht für viele Asylsuchende, die nach Österreich gekommen sind, weil sie in ihrem Heimatland verfolgt wurden und die sich hier in Österreich Schutz und die Chance auf eine gutes Leben in Frieden und bescheidenem Wohlstand erhofft haben.
Gestern fand in Linz eine Kundgebung gegen Abschiebungen statt. Die Stimmung war sehr zweispältig, einerseits die Freude, dass soviele Menschen zusammengekommen sind, um für Menschenrechte einzutreten, andererseits das Wissen, dass das alles angesichts der "finsteren Zeiten" der österreichischen Fremdenpolitik nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Für Melitus Onongaya kommt die Hoffnung und der Kampf um bessere Gesetze zu spät, aufgrund des Drucks der Behörden hat er sich nach fünf Jahren Aufenthalt in Österreich entschlossen, "freiwillig" nach Nigeria zurückzukehren - weil er keine wirkliche Alternative hat.
Auch der Hass gegen die Niedrigkeit
Verzerrt die Züge.
Auch der Zorn über das Unrecht
Macht die Stimme heiser. Ach, wir
Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit
Konnten selber nicht freundlich sein.
Das schreibt Bert Brecht weiter und trifft meine Stimmung. Ich weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn jetzt die österreichische Innenministerin oder ein anderes Regierungsmitglied vor mir stehen würde. Oft möchte ich nur noch schreien. Die Regierungsparteien haben dieses Unrecht zu verantworten, das eingebunden ist ein System, dass davon lebt, die Schwachen gegen die noch Schwächeren auszuspielen.
Brechts Gedicht endet so:
Ihr aber, wenn es soweit sein wird
Dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist
Gedenkt unsrer
Mit Nachsicht.
Wir leben Gott-sei-Dank nicht in so finsteren Zeiten, dass wir den Menschen nicht ein Helfer, eine Helferin sein können. Als österreichische Staatsbürgerin habe ich Privilegien. Niemand nötigt mich von einem Tag auf den anderen alle meine sozialen Beziehungen abzubrechen und das Land in eine ungewisse Zukunft zu verlassen. Diese Privilegien sind aber auch Auftrag: Drum bin ich dabei bei politischen Protestaktionen und helfe Menschen, wo ich kann. Da darf ich mir dann auch - hoffentlich - die Nachsicht erhoffen für meine Wut, meine Enttäuschung, mein tiefstes Unverständnis gegenüber diejenigen, die das Unrecht verursachen oder einfach passiv zuschauen.
Auf zwei Aktionen, um dem Menschen ein Helfer, eine Helferin sein zu können und der Freundlichkeit zum Durchbruch zu verhelfen, möchte ich hinweisen:
- Die Katholische Hochschulgemeinde Linz hat eine Spendenaktion für Melitus Onongaya gestartet, um ihn bei seinem Start in Nigeria zu unterstützen.
- SOS Mitmensch macht eine Email-Aktion an die MinisterInnen, wo sich schon viele Leute beteiligt haben. Am Dienstag soll das neue Fremdenrechtspaket im MinisterInnenrat beschlossen werden und damit würden die "finsteren Zeiten" für MigrantInnen nochmal finsterer werden.
olga
andrea
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