"Das Christentum kann in arabischen Ländern auch nicht frei ausgeübt werden". Das ist ein bekanntes, wenn auch falsches Argument mancher gegen Minarette, Kopftücher und sonstige öffentlich sichtbare Symbole des Islam in Europa. Die Verfolgung von ChristInnen in anderen Ländern hält her als Argument für die Forderung nach Einschränkung der Religionsfreiheit im eigenen Land. Hintergrund ist Rassismus und Islamophobie sowie die Beschwörung einer europäischen, österreichischen, deutschen "Leitkultur" (was auch immer das sein mag) gegen die "Anderen". Obwohl der Islam genauso wie das Christentum eine sehr differenzierte Religion ist und es verschiedene Strömungen gibt, werden alle Musliminnen und Muslime als FundamentalistInnen diffamiert.
Dass das Argument, dass ChristInnen in arabischen Länder verfolgt werden und es darum bei uns keine öffentliche Präsenz des Islam geben soll, nach hinten los geht auch für ChristInnen in arabischen Ländern, macht Paul Hinder, Bischof von Arabien
, deutlich - in der Berliner "taz" findet sich ein interessanter Beitrag, verfasst vom ORF-Korrespondenten Karim El-Gawhary.
"Und dann kommt das Gespräch mit dem Bischof von Arabien doch noch auf sein Heimatland und auf seinen Ärger, dass ausgerechnet die Situation in seinem Bistum als Argument für das Minarettverbot in der Schweiz herhalten musste. "Diese Logik geht überhaupt nicht auf", beginnt der gebürtige Thurgauer. Man könne einen demokratischen Staat wie die Schweiz mit einer entsprechenden Grundordnung nicht mit der hiesigen Situation vergleichen. Natürlich gebe es in seinem Bereich nur eine eingeschränkte Religions- und Kulturfreiheit. "Wegen des Minarettverbots in der Schweiz werden die Saudis morgen noch lange keine Kirchtürme erlauben", gibt er zu bedenken. Abgesehen davon würden von dem Ganzen nur die Fanatiker profitieren.
Er hätte seine Freude gehabt, hätten die Schweizer anders entschieden: "Dann hätte ich auf der Arabischen Halbinsel sagen können: Schaut meine Schweiz, die bejaht grundsätzlich eine offene Gesellschaft - nehmt euch doch ein Beispiel."
Genau um dieses Eintreten für eine plurale, offene Gesellschaft geht es. Dazu gehört meiner Meinung nach unbedingt die Religionsfreiheit, etwas zu glauben und das auch leben zu können - oder auch nicht zu glauben. Und die vielfältige Präsenz der Religionen, religiöser Symbole auch im öffentlichen Raum, egal ob Kreuze, Kirchtürme, Minarette oder Kopftücher. Das - und nicht populistischer Stimmenfang auf Kosten von Musliminnen und Muslimen - wäre die Basis, auch glaubwürdig für Religionsfreiheit weltweit einzutreten. Zurecht lässt sich aber fragen, ob eine solche moderate Position mehrheitsfähig ist. Leider.
Foto: nabeel_yoosuf
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